Monatsbrief September 2025

Wenn man die politische, wirtschaftliche oder sportliche Berichterstattung verfolgt, stellt man fest, dass die Begriffe ‚Strategie‘ und ‚Taktik‘ oft synonym verwendet werden. Dies ist für Sprachpuristen nicht einfach zu ertragen. Schliesslich ist eine Strategie ein langfristiger Gesamtplan mit einem grossen Ziel, während Taktiken die spezifischen, kurzfristigen Aktionen sind, die zur Umsetzung dieser Strategie dienen.

Als Sprachlehrperson beschäftigt einem immer wieder die Frage, wie sprachpuristisch man sein soll und welches Gewicht welchen Regeln gebührt. Einerseits schaffen grammatische Strukturen, Wortbildungsmechanismen und Satzbau Ordnung im Spracherwerb und bilden eine unverzichtbare Grundlage, damit anspruchsvolle Texte verstanden werden und präzise formuliert werden kann. Wer Zeitformen nach dem Zufallsprinzip wählt, wird früher oder später stolpern – und zwar nicht nur über unregelmässige Verben.

Andererseits zeigt die Praxis, dass ein allzu regelorientierter Ansatz lähmend wirken und die Freude am Sprachgebrauch mindern kann. Es gibt diese Momente, in denen jemand mitten im Satz innehält, nach oben schaut und im Stillen Grammatikregeln konsultiert – bis die Gelegenheit zum spontanen Sprechen verpufft ist. Sprache soll nicht nur korrekt, sondern auch lebendig sein. Fehler sind allemal besser als betretenes Schweigen.

Die Frage, auf welche Regeln es sich zu pochen lohnt, beschäftigt Sprachlehrpersonen und Lehrmittelverlage permanent. Idealerweise sollte auf Regeln fokussiert werden, die klar, langwährend und nützlich sind. Im Englischunterricht beispielsweise ist es kaum lohnenswert, sich mit dem feinen Unterschied zwischen ‚more than‘ und ‚over‘ zu befassen, mit der Unterscheidung zwischen ‚lie‘ und ‚lay‘ oder einfachen Zeitformen und Verlaufsformen hingegen sehr wohl.

Der Sprachunterricht wird derzeit rege diskutiert. Anstatt sich in Diskussionen über den optimalen Zeitpunkt des Fremdsprachenerwerbs zu verlieren, sollte der Fokus vermehrt auf grundlegende sprachdidaktische Fragen gerichtet werden. Wenn dem Unterricht eine altersgerechte Balance zwischen Korrektheit und Spontaneität zugrunde liegt, ist es nicht sehr relevant, wie früh mit dem Erlernen einer Sprache begonnen wird.

 

Aleksandar Popov, Rektor